Da isser wieder: der uramerikanischste aller Superhelden. Am 27.03. läuft “The Return of the First Avenger” in den deutschen Kinos an. Dereinst von Marvel als Propagandafigur gegen die Nazis geschaffen, muss der angestaubte “erste Avenger” sich erneut in der Jetztzeit beweisen. Und eins sei schon mal vorweggenommen: Es loht sich! Für einen Marvel-Film zumindest.
Aus dem letzten “Avengers”-Marvel-Potpourrie kennen wir den “Cap” in erster Linie als Comic Relief: Die drollige Hilflosigkeit des 40er-Jahre-Superhelden im Angesicht moderner Technologie und zeitgenössischer Verhaltensformen sorgte für den einen oder anderen Schmunzler. “The Return of the First Avenger” schlägt überraschenderweise ganz andere Töne an. In der Pressevorführung, die ich besuchte, war zufällig ein Freund von mir für das Befragen der Premierenbesucher zuständig. Er klagte mir sein Leid: “Alle haben bisher gesagt, dass ihnen zu wenig Humor drin ist …” Ich konnte nur entgegnen: “Ja, Mann! Gut so!” Der neue Captain America-Streifen wagt sich nämlich auf heikles Terrein – wiederum für Marvel-Maßstäbe. Er ist actionlastig (so weit, so bekannt), aber auch hart, komplex (!!) und ziemlich politisch (!!!).
Die Gegner des Helden sind hier keine Außerirdischen, Superschurken (also außer dem Winter Soldier) oder Nazis (also außer dem einen, doch mehr dazu später). [Ach ja, dieser Text ist übrigens voller Spoiler, nur mal so, damit später keiner weint.] Der rot-weiß-blaue Supersoldat muss die erste Hälfte des Filmes damit verbringen, erst mal herauszukriegen, wer eigentlich die Bösen sind. Und die Antwort ist: S.H.I.E.L.D. – die Superhelden-kontrollierende US-Sicherheitsbehörde des Marvel-Universums, für die die Avenger arbeiten. Der “Cap” muss feststellen, dass er sich in die Dienste einer totalitären Überwachungsbehörde begeben hat, die Querdenker mithilfe eines Algorithmus ausfindig machen und dann mittels fieser Drohnen-Flugzeugträger-Sternenzerstörer-Dinger gezielt ausschalten will. Woraufhin der Captain ganz treffend anmerkt, dass das nicht besonders freiheitlich anmutet. Sprach’s – und zog in den Kampf für die Freiheit und gegen das System.
Klar: Das alles wird wieder in den üblichen, moralisch unzweideutigen Marvel-Kosmos eingeordnet. S.H.I.E.L.D. konnte von HYDRA, der internationalen Superschurken-Weltverschwörung, unterwandert werden, weil der digitalisierte Geist eines Nazi-Wissenschaftlers die Kontrolle über das S.H.I.E.L.D.-Computernetzwerk an sich gerissen hat. Ein Glück, dann sind die Bösen ja doch keine Amerikaner! Aber die Bilder und Inhalte sprechen eine (für Marvel … ja, ich hör ja schon auf) deutliche Sprache: Der amerikanische Oldschool-Held, der für Freiheit und bodenständigen Patriotismus steht, kämpft gegen übermächtige Polit-Verschwörungen, die die Menschheit digital ausspähen und Drohnen zum Ausschalten von Querdenkern benutzen. “NSA = Nazis” – politischer wird’s nicht mehr im Blockbusterkino!
In “The Return of the First Avenger” kämpfen im Grunde die zwei Seelen der USA gegeneinander: Das aufrechte, verklärte, patriotisch-moralische Selbstbild, das Dems und Reps im Herzen teilen, gegen kalten Machtwillen, Überwachungswahn und Korruption. Das S.H.I.E.L.D.-Hauptquartier mit seinem sterilen Hightech-Glanz und dem martialischen, übergroßen Adler im Lichthof sowie die beeindruckenden, autonom operierenden fliegenden Festungen sind fantastische Bilder für den drohenden Faschismus 2.0. Der Winter Soldier als obligatorischer Superschurke spielt eigentlich gar keine so große Rolle: Er ist eher willenloses Opfer des gesichtslosen Schweinesystems als ein autonomer “Nja-ha-ha-Weltherrschaft”-Bösewicht.
Auf der Gegenseite stehen die “wahren” Patrioten: aufrechte S.H.I.E.L.D.-Beamte, die im entscheidenden Moment nicht den entscheidenden Knopf drücken, der einfühlsame Ex-Soldat Sam Wilson alias Falcon – und natürlich der Captain höchstselbst, der vor dem Finale symbolträchtig seine alte Uniform aus dem Museum klauen muss. Klar: Holzschnittartig ist es am Ende dann doch. Aber wenn der Grundton ein so nachdenklicher ist, macht es trotzdem Spaß.
Scarlett Johannson als Black Widow (die mit ein paar Kilo mehr übrigens deutlich heißer war, imho) sorgt für die flirrenden Graubereiche zwischen Gut und Böse. Zusammen mit Samuel L. Jackson alias Nick Fury verleiht sie dem Film auch sonst einiges mehr an inhaltlicher und emotionaler Tiefe. Wird Zeit für einen eigenen Black Widow-Film!
Fazit: “The Return of the First Avenger” ist ein gelungener, unerwartet nachdenklicher Mix aus Verschwörungstheorien, politischer Stellungnahme, bildgewaltiger Action und verwickelten Spionagefilm-Komponenten à la “Mission Impossible” oder “Die Bourne Identität”. Toll für Marvel-Fans, noch toller für Skeptiker. HAIL HYDRA!