Blockbusterkino muss nicht sinnfrei sein - Neill Blomkamp beweist mit “Elysium” eindrucksvoll das Gegenteil.
Heute erscheint Neill Blomkamps Sci-Fi-Dystopie “Elysium” auf Blu-ray und DVD. Wir haben uns den Film anlässlich des Heimkinostarts noch einmal näher angeschaut und verlosen 2×1 DVD unter allen, die einen Kommentar unter diesem Beitrag hinterlassen.
Ich begebe mich hinab in die Slums. Slums, das sind im Jahr 2154 nicht irgendwelche Wohnviertel am Rande der Großstadt. Die Slums, das ist die Erde. Ein ruinöser Haufen Geröll mit verpesteter Luft und verzweifelten Kreaturen, die ohne jegliche Zukunftsperspektive ums Überleben kämpfen. Am flirrenden Himmel über der Wüstenlandschaft, die einst Los Angeles, Stadt der Engel war, schwebt ein gigantisches Rad in der Erdumlaufbahn. Elysium. Im Jahr 2154 haben sich die Superreichen dieser Welt im wahrsten Sinne des Wortes von den Normalsterblichen erhoben: Auf der Raumstation Elysium ist das Leben nahezu perfekt. In dem kosmischen Elfenbeinturm mit exklusiver Türpolitik gibt es praktisch keine Kriminalität; Krankheiten und schwerste Verletzungen können ad hoc geheilt werden. Auf der Erde hingegen schuftet der Rest der Bevölkerung unter schlimmsten Bedingungen, um einer kleinen Elite ihren Traum von Unsterblichkeit und grenzenlosem Wohlstand zu ermöglichen.
Ich lerne Max DeCosta und seine Freundin Frey kennen. Max und Frey sind Waisenkinder. Seelenverwandschaft liegt in der Luft, als sie gemeinsam sehnsüchtig gen Himmel starren. Max zieht es zu den Sternen, hinauf zu der paradiesischen Insel der Seligen. Er verspricht Frey, dass er sie beide eines fernen Tages dort hin bringen wird. Ich bin gespannt, wohin der Weg sie führen wird.
Jahre später treffe ich Max wieder. Er ist allein, versucht ein ehrliches Leben als Fabrikarbeiter zu führen. Groteskerweise schraubt er am Fließband genau die Androiden zusammen, die ihm später das Leben als Regierungsroboter schwer machen. “Armadyne” nennt sich der alles beherrschende Rüstungskonzern, für den DeCosta arbeitet. In meinem Hinterkopf flackert der Name “Boston Dynamics” auf. Google hat vor kurzem das achte Robotik-Unternehmen innerhalb von sechs Monaten gekauft . Niemand kennt Googles Pläne oder kann auch nur annähernd vorhersagen, was der Konzern mit diesem massiven Zukauf an Know-how vorhat. Max bekommt in der Zwischenzeit den Schlagstock eines Polizei-Androiden zu spüren, weil er eine sarkastische Bemerkung gegenüber dem blechernen Beamten fallen lässt. Boston Dynamics hat übrigens einen hochdotierten Vertrag mit dem Pentagon. Don’t be evil, Google. Don’t be evil.
Das Verteigungsministerium auf Elysium wird von der wahrscheinlich kompromisslosesten Frau geführt, die man sich vorstellen kann. Darf ich vorstellen: Mrs. Delacourt. Businessanzug, burschikos, brutal. Sie führt mit militärischer Logik und Effizienz, Entscheidungen sind stets rational und pragmatisch, niemals mit dem Makel eines Skrupels behaftet. Erdenbewohner, die eine Flucht in Richtung Elysium wagen, müssen mit nichts Geringerem als dem Tod rechnen. Doch Mrs. Delacourts Methoden sind nicht nur radikal, sie sind auch unpopulär. So unpopulär, dass sie den Zorn des Präsidenten auf sich ziehen. Also tut sie das, was machtbesessene Politiker im Allgemeinen so tun: Sie intrigiert.
Spätestens als Max DeCosta bei einem Arbeitsunfall einer tödlichen Dosis radioaktiver Strahlung ausgesetzt wird und Armadyne-Boss John Carlyle ihn die volle Wucht seiner Gleichgültigkeit spüren lässt, entfaltet sich die darwinistische Erbarmungslosigkeit der sozialen Unordnung in Blomkamps dystopischer Zukunft. Ich erschrecke, als mir klar wird, dass wir alle bereits jetzt in einer produktivitätsgeleiteten Welt leben. Der einzige Unterschied zwischen heute und Elysium sind 141 Jahre technologischer und wirtschaftlicher Entwicklung. Machbarkeit schafft Realitäten, und jeder, der in Zeiten von NSA, Putin, unverhohlenem Lobbyismus und Off-Shore-Konten denkt, wir würden nicht an der Nase herumgeführt, der ist naiv. Das ist das, was Blomkamp meinte, als er sagte, “Elysium” sei gar keine Science Fiction: “This is today. This is now.”
Dass die fiktive Raumstation Elysium auch “der Torus” genannt wird, ist kein Zufall: Die NASA entwickelte bereits 1975 im Rahmen eines Forschungsprogramms den sogenannten “Stanford-Torus“. Eine Weltraumkolonie, die gemeinsam mit der Stanford University entwickelt wurde und Platz für bis zu 10.000 Bewohner bieten sollte. Auf Grund seiner rotierenden Ringform sollte der Torus sogar über Schwerkraft verfügen. Das Projekt wurde zwar nie realisiert, aber die Pläne sind da - überraschend detailliert.
Womöglich ist es dieser konsequente Realitätsbezug, der sowohl Blomkamps Erstlingswerk “District 9” als auch “Elysium” auszeichnet. Die visuelle Ästhetik beider Filme ist zweifelsohne genial, stellenweise atemberaubend, aber dennoch habe ich stets den Eindruck, als könnte die Technologie der Zukunft tatsächlich so oder zumindest sehr ähnlich aussehen. Als Max sein Exoskelett auf die Knochen getackert bekommt, sieht er nicht aus wie ein Cyborg, sondern wie ein nötdürftig zusammengeflickter Todgeweihter. DeCostas Gegenspieler, der Söldner Kruger, kämpft mit einem altmodischen Schwert, und die dargestellten gesellschaftlichen Konflikte sind wie bereits erwähnt mehr als nur bloßer Zufall.
“Elysium” ist astreines Actionkino, aber es ist auch mehr als das: In Blomkamps Zukunft ist Software die ultimative Waffe, die Teilchenphysik die ultimative Heilung und Geld die ultimative Quelle für Glück und Gesundheit. Es ist ein verstörender Blick in eine von vielen möglichen Zukünften, die uns bevorstehen. Und sie ist wahrscheinlicher, als wir vielleicht wahr haben möchten.
Elysium ist seit dem 17.12.2013 auf Blu-ray, DVD und Video on Demand erhältlich.
ELYSIUM, USA 2013, 106 Minuten - Regie: Neill Blomkamp. Buch: Neill Blomkamp. Mit: Matt Damon, Jodie Foster, Sharlto Copley, Alice Braga u. a.
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Anlässlich des Heimkinostarts verlosen wir 2×1 Elysium-DVD. Die Teilnahme ist einfach: Hinterlasst einfach einen Kommentar unter diesem Beitrag und schon seid ihr dabei! Einsendeschluss ist der 31.12.2013.
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