Warum es keine guten TV-Serien aus Deutschland gibt

Foto: kenfagerdotcom (Flickr/CC BY-NC-SA 2.0)

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Das Dilemma mit den Serien

Warum gibt es keine guten TV-Serien aus Deutschland? Diese Frage beschäftigt mich schon sehr lange, und aus vielen Gesprächen mit Gleichgesinnten und jahrelanger Beobachtung der Szene weiß ich, dass ich damit nicht alleine dastehe. Es ist also an der Zeit, das Ganze mal näher zu betrachten.

Dieser Artikel ist der erste in einer ganzen Reihe von konzeptionellen Beiträgen, die ich zum Themenkomplex “Filme & TV-Serien” publizieren möchte, weil es ein Thema ist, das mir sehr am Herzen liegt. Einerseits bin ich ein leidenschaftlicher Zuschauer, andererseits habe ich ein Herzensprojekt, das ich sozusagen als Kulminationspunkt meiner Überlegungen vorstellen werde. Doch ein Schritt nach dem anderen.

Warum gibt es keine guten TV-Serien (und Filme) aus Deutschland? Ich nehme die Antworten mal vorweg:

1. Weil die Autoren nicht ernstgenommen werden.

2. Weil es von Senderseite ein Dogma gibt, man müsse möglichst “realistisch” und “nah am Volk” erzählen.

3. Weil sich keiner traut, mutige Formate zu produzieren und das nötige Geld dafür in die Hand zu nehmen.

4. Weil wir in Deutschland nicht die nötige Senderstruktur haben.

Ich werde das noch näher erklären, möchte aber zunächst eine Gegenfrage voranstellen: Warum gibt es so viele US-Serien (und einige wenige aus UK), die dermaßen viel Erfolg haben? Und das weltweit? Das Business mit hochwertigen TV-Serien hat sich mittlerweile zum Kerngeschäft von Sendern wie HBO, Showtime und AMC entwickelt. Was wird jenseits des Atlantiks anders gemacht als hier? Ich kenne so gut wie niemanden meiner Generation (und auch der jüngeren), der sich diese Frage nicht schon gestellt hat. Die enttäuschende Antwort: “Wir habens einfach nicht drauf.”

Mangel an künstlerischer Freiheit

Doch mit dieser Antwort machen wir es uns zu einfach. Es mangelt ganz sicher nicht an künstlerischer Qualität. Das Problem sind die verstaubten Strukturen, welche die Kunst zum Publikum bringen sollen. Es mangelt an künstlerischer, kreativer Freiheit. Ich behaupte, wir hätten auch die Schauspieler für wirklich gute Serien (und natürlich auch Filme). Doch die meisten müssen sich in drittklassigen Produktionen verdingen, um überhaupt von irgendetwas leben zu können. Bestes Beispiel ist Christoph Waltz. Bevor der zweifache Oscarpreisträger unter Tarantinos Fittiche genommen wurde, hat er unter anderem grausame Rollen wie die als Roy Black (“Du bist nicht allein - Die Roy Black Story”, 1996) annehmen müssen. Weniger prominent, aber umso erstaunlicher, ist der Fall des hierzulande nur durch billigste Klamauk-Sketche bekannte Volker Michalowski (“Zack! Comedy nach Maß”). Wer hätte gedacht, dass er eine Rolle in “Inglourious Basterds” ergattern würde? Ich jedenfalls nicht, und für mich war sein Auftritt in diesem Film ein echtes Aha!-Erlebnis, das mir unwiderlegbar zeigte: gutes Schauspiel braucht gute Autoren (und Regisseure). Noch mehr Beispiele, gefällig? Die grandiose Figur des gesichtslosen Mannes Jaqen H’ghar aus “Game of Thrones” wurde von Tom Wlaschiha dargestellt - auch bekannt aus deutschen Unterhaltungsperlen wie “Pura Vida Ibiza” oder “Cobra 11″. Von Sibel Kekillis GoT-Rolle als Shae will ich gar nicht erst anfangen. Das sind natürlich alles keine Hauptrollen, aber sie unterstreichen dennoch, was ich sagen will: gutes Schauspiel braucht gute Autoren.

Der Korrekturdrehwolf

Haben wir also keine gute Autoren? Auch das möchte ich bestreiten. Aber das, was von einem Drehbuch letzten Endes übrigbleibt, wenn es von den Produzenten zerpflückt wurde, hat einfach nichts mehr mit der ursprünglichen Geschichte zu tun. Ein “Tatort”-Drehbuchautor bekommt bis zu 30.000 Euro für sein Werk - allerdings muss er vorher unzählige Korrekturschleifen über sich ergehen lassen, sodass oft bis zu ein Jahr (oder länger) vergeht, bis tatsächlich Geld fließt. Als vor einigen Jahren die Gagen für Drehbuchautoren solcher Formate bekannt wurde, mokierten sich viele über diese mutmaßliche “Goldgrube”. Aber selbst wenn man die nachträglichen Zahlungen für evtl. Wiederholungen mit einbezieht, ist diese Formulierung eine absolute Unverschämtheit. Drehbuchautoren sind in aller Regel keine Angestellten, sondern Freiberufler. 30.000 Euro vor Steuern und allen anderen Kosten für ein Jahr Arbeit? Nicht gerade eine Goldgrube wie ich finde. Wenn man die Schlüsselposition eines Autors berücksichtigt - ohne Story kein Film - grenzt das Ganze an Respektlosigkeit. Respektlosigkeit vor der kreativen Leistung von Autoren.

Einmal “Heimat” und zurück

Doch lassen wir das Geld mal beiseite. Der Punkt ist, dass ich als (Drehbuch-)Autor in Deutschland dazu verdammt bin, Geschichten aus Deutschland zu schreiben. Realistische Geschichten, wohlgemerkt. Heraus kommen “Glanzstücke” der Fernsehlandschaft wie “In aller Freundschaft”, “Der Bulle von Tölz”, “Ritas Welt”, “Gute Zeiten, Schlechte Zeiten” oder noch Schlimmeres. Mal ehrlich, wer will den Mist gucken? Das Fernsehen produziert an mehreren Generationen vorbei, die eben nicht solch ein Dreck konsumieren wollen, sondern sich lieber die neuesten US-Serien übers Netz streamen oder komplette Staffeln auf DVD und Blu-ray kaufen. “Dexter”, “Breaking Bad”, “American Horror Story”, “The Wire”, “Sopranos”, “True Blood”, “The Walking Dead”, “Californication”, “Entourage”, “Homeland”, “Game of Thrones” - hoch geschätzte und beliebte Formate, die entweder auf schlechten Sendeplätzen versauern oder noch nicht einmal den Sprung ins Free-TV schaffen. Serien, die in den USA (trotz Pay-TV!) absoluter Mainstream sind und mit Preisen überhäuft werden, fristen bei uns ein Nischendasein. Das Publikum ist da, auch bei uns. Es wird nur nicht abgeholt.

Der Autor als Produzent

In den USA ist es Gang und Gäbe, dass die Schöpfer der Serie fest in den Produktionsprozess eingebunden sind, oft sogar als Executive Producer. Sie nehmen maßgeblich Einfluss auf das Endprodukt, an dessen Anfang sie stehen. “True Blood” trägt die Handschrift seines Schöpfers Alan Ball, Tom Kapinos sorgt dafür, dass Hank Moody in “Californication” stets so launisch bleibt, wie er ihn sich ausgedacht hat - zwei ausgewählte Beispiele von vielen. Und exemplarisch für den Erfolg zahlreicher US-Serien. Die Autoren werden ernstgenommen, ihnen wird vertraut, es gibt erzählerischen Freiraum. Dass Formate wie “American Horror Story” oder “Breaking Bad” in Deutschland produziert werden ist quasi undenkbar. Zu unrealistisch, zu weit weg vom deutschen Otto Normalverbraucher. Dann doch lieber “Marienhof” und “Die Camper”.

Das Dogma der realistischen Unterhaltung mit Heimatbezug ist aber vollkommen fehl am Platz: Die Jahrgänge, die in den 80ern und den nachfolgenden Jahrzehnten aufwuchsen, sind - was die Film- und Fernsehgewohnheiten angeht - durch und durch sozialisiert von Hollywood. Ich hab noch nie den Satz gehört: “Oh, was? Eine amerikanischer Film? Näää, das guck ich nicht.” Ungleich öfter allerdings gilt das für deutsche Produktionen. Wie man in einer globalisierten Welt darauf bestehen kann, mediale Heimatverbundheit zu demonstrieren, ist mir vollkommen schleierhaft. Lasst die Autoren doch einfach schreiben, womit sie sich wohl fühlen. Wenn die Story in Castrop-Rauxel spielt, gut. Aber wenn sie in New York stattfindet - und wo sie stattfindet, muss Entscheidung des Autors und unabhängig von seinem Geburtsort sein - auch gut. Im Zeitalter des Internets kann ich genügend Location-Recherche betreiben, ohne jemals vor Ort gewesen sein zu müssen. Ich persönlich jedenfalls habe ein genaueres Bild von New York City als von Castrop-Rauxel.

Von billigen Kopien und Trugschlüssen

Der Trugschluss, der zu diesem Dilemma führte, war die Annahme, dass man erfolgreiche US-Serien einfach adaptieren, deutlicher gesagt: kopieren und auf Deutschland übertragen kann. Als RTL in den frühen 90ern mit “Hilfe, meine Familie spinnt” baden ging, führten die Verantwortlichen das groteskerweise darauf zurück, dass das Format bei uns nicht funktioniere, zu amerikanisch sei - anstatt zu erkennen, dass niemand einen billigen 1:1-Abklatsch von “Eine schrecklich nette Familie” sehen will. Die Problemchen der TV-Charaktere waren nicht zu weit weg vom deutschen Publikum - es wollte sich einfach nicht verarschen lassen.

Die Sender trauen dem Zuschauer nichts zu. Sie unterschätzen ihn. Neue Sendungen müssen aus dem Stand funktionieren. Tun sie das nicht, werden sie ad hoc abgesetzt. Ich verstehe, dass auch ein Fernsehsender wirtschaftlich arbeiten muss. Das Problem aber, dass sich die TV-Industrie dabei selbst strickt: es wachsen mehrere Generationen von geschmackssicheren, gebildeten und womöglich sogar gutverdienenden Zuschauern heran, die absolut keine Markenbindung mehr zu den Sendern haben werden. Die großen Senderfamilien, allen voran RTL, zeichnen sich vor allem durch Ballermann-Unterhaltung aus, die an diesen Menschen vollkommen vorbei geht. Ich kenne viele, die gar keinen Fernseher mehr besitzen, sondern nur noch ausgewähltes Programm übers Internet konsumieren.

Katastrophales Marketing

Ich warte auf den Tag, an dem der Programmchef eines großen Senders den Mut hat, eine Serie wie “Dexter” auf die Prime Time zu legen. Und was noch wichtiger ist: zu erkennen, dass sofortige Rekord-Einschaltquote nicht immer alles sein darf und den Fehler für mangelndes Interesse der Zuschauer auch bei sich selbst zu suchen. Das Marketing für US-Serien im Free-TV kann man getrost als katastrophal bezeichnen. Wenn man Glück hat, wird man kurz und absolut unvermittelt darauf hingewiesen, dass dies die letzte neue Folge war, die man eben sah - noch bevor der kastrierte “Abspann” in den Werbeblock überleitet. Macht man sich auf die Suche nach der durchaus interessanten Info, wann man denn nun seine heißgeliebten Figuren wiedersehen darf, bleiben oft nur Gerüchte in Foren oder vage Ankündigungen wie “Weiter geht es im Herbst”. Mehr als nur ein Mal habe ich mich darüber geärgert, dass kommentarlos Wiederholungen gesendet werden oder - noch schlimmer - einfach eine andere Sendung den Platz einnimmt.

Exportzwerg Deutschland

Gemessen an der allgemeinen Wirtschaftskraft der Exportnation Deutschland ist der internationale Erfolg deutscher Film- und Fernsehproduktionen lächerlich. Selbst im Inland kamen deutsche Kinofilme im Jahr 2012 gerade mal auf einen Marktanteil von 18,1%. Im Bereich TV steht Deutschland bestenfalls für den erfolgreichen Weiterverkauf von Formaten wie “Schlag den Raab” oder “Old Ass Bastards” (das allerdings eigentlich aus Belgien stammt und nur von hier aus vermarktet wird). Liegt es an den finanziellen Mitteln? Nun, natürlich ist die Filmindustrie in Hollywood, was das angeht, deutlich besser aufgestellt. Aber Deutschland ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, immerhin noch die viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt. Wir bauen Premium-Autos, Premium-High-Tech, Premium-Was-Weiß-Ich. Es kann mir doch keiner erzählen, dass wir nicht die monetären Mittel besäßen, um qualitativ hochwertige Film- und Fernsehunterhaltung herzustellen. Allein, es mangelt am Mut.

Serien als Autorenkino

Bei der Produktion von Serien kommt erschwerend hinzu, dass wir nicht die Senderstruktur haben, wie wir sie in den USA vorfinden. HBO, Showtime, AMC - all diese Sender haben das Serienbusiness längst zu ihrem Kerngeschäft erklärt und die Konsequenzen daraus gezogen. Rob Sorcher, Programmchef von AMC (Mad Men, Breaking Bad, The Walking Dead…) erklärte einst in einem Interview: “We want to be a creator-driven environment.” Die Autoren stehen im Mittelpunkt des Schaffens- und Produktionsprozesses, denn sie sind es, die das Produkt kreieren. HBO hat bereits in den 90ern das Geschäftsmodell verworfen, das Sky hierzulande immernoch verfolgt: das vermeintliche Alleinstellungsmerkmal, Kinofilme einen Tick früher zu zeigen war und ist eine Totgeburt. Videorekorder, DVD-Player, Videotheken und heute Streamingdienste ließen und lassen den Zuschauer angesichts dieses Angebots kalt, zumal ich mit diesen Technologien selbst bestimmen kann, wann mein Programm läuft. HBO-Chef Jeffrey Bewkes zog die Konsequenzen und ließ exklusive Inhalte produzieren, die ordentlich Buzz erzeugten. Es folgten “Sex and the City”, die “Sopranos” - der Rest ist Geschichte.

Was bleibt also? Ich denke, die Autoren müssen ihre Idee, ihre Vision eben anders zum Publikum bringen. Vorbei an den Dogmen, den verstaubten Strukturen, den Sendern. Wie genau ich mir das denke - dazu später mehr an dieser Stelle.

UPDATE: Weiter gehts hier mit “Ein Plädoyer für das Drehbuch“.

  • gehirnstuermer

    Hinzu kommt ja, dass alle paar Jahre mal durchaus ne deutsche Serie etwas taugt, sich aber nicht durchsetzen kann bzw. regelrecht sabotiert wird. KDD - Kriminaldauerdienst war so eine Serie, die ich wirklich toll fand, die aber vom ZDF unter der Woche mitten in der Nacht weggesendet wurde und daher nie Quote machen konnte.

    Auf der anderen Seite: Wenn ich mir den Erfolg des Trash TVs (Casting Shows, Realitiy-Soaps, …) anschaue, haben wir vielleicht hierzulande wirklich nicht die passende Zielgruppe.

    • http://www.weltenschummler.com/ Marvin Mügge

      Ich kenn KDD nicht, aber die guten Produktionen sind halt leider die Ausnahme von der Regel.

      Der Erfolg des Trash-TVs zeigt nur, dass wir viele Zuschauer haben, die auf sowas stehen, was im Umkehrschluss aber nicht bedeutet, dass es keine Zielgruppe gibt, die auf andere Formen der Unterhaltung abfährt. Nicht umsonst landen die ganzen großartigen Serien immer wieder in DVD- und Downloadcharts.

  • http://www.pewpewpew.de/ reeft

    Ich würde gerne noch beim Marketing den Unterpunkt der Sendezeiten setzen. Gute Serien werden nicht genug gefördert oder bekommen unmögliche Sendezeiten. Erst nach einem kleinen Aufschrei im Netz, der es dann durch Umwege ins Printfeuilleton findet, können Serien wie “Der Tatortreiniger” die Aufmerksamkeit erreichen, die sie verdienen. Aber dann wiederum diese Miniserien oder das On-Off “Lerchenberg” als “erfolgreiche Beispiele” zu nutzen grenzt halt auch schon an die Lächerlichkeit.
    Und bezüglich der Importe hast du damals die RTL LOST-Kopie im Studio vergessen. :D

    • http://www.weltenschummler.com/ Marvin Mügge

      Die LOST-Kopie ist zum Glück total an mir vorbeigegangen ;P.

      Mit den Sendezeiten geb ich dir absolut Recht. Groteskerweise landen gerade die hochwertigen Serien im nächtlichen Nirvana oder auf Nischenkanälen.

      • BodenseeApple

        Und so schaffen sich die TV-Sender auch eine Berechtigung zu behaupten: “Das schaut sich ja keiner an, die Zahlen lügen nicht…”

    • BodenseeApple

      Ich will die RTL-Produktion jetzt nich schön reden, aber Wikipedia sagt folgendes: “…Die RTL-Produktion begann ihre Dreharbeiten schon im November 2003, die Erstausstrahlung der US-Serie erfolgte hingegen am 22. September 2004. Die Produktionszeiträume überschnitten sich also, weshalb nicht hinreichend geklärt werden kann, welche Idee eine Kopie ist…”
      (http://de.wikipedia.org/wiki/Verschollen)

      • http://www.weltenschummler.com/ Marvin Mügge

        Link funzt nicht.

        • BodenseeApple

          Jetzt gehts ;)

  • Xander81

    “HBO hat bereits in den 90ern das Geschäftsmodell verworfen, das Sky hierzulande immernoch verfolgt.[...] HBO-Chef Jeffrey Bewkes zog die Konsequenzen und ließ exklusive Inhalte produzieren, die ordentlich Buzz erzeugten”

    Das muss nur mal jemand Sky erklären.
    Das RTL oder Pro7 keine Big Budget Serienrisiken eingehen wollen, da sie auf Werbeeinnahmen angewiesen sind, sollte klar sein. Einzig Pay-TV kann durch mehr oder weniger kalkulierbare Einnahmen so ein Risiko eingehen bzw. als Vorbild dienen. Was ja, bei Erfolg, noch mehr Abonennten anziehen kann. Immerhin, ein kleiner Schritt ist mit “Add a
    friend” getan. Ein ganz kleiner Schritt.

    • http://www.weltenschummler.com/ Marvin Mügge

      Das stimmt, natürlich ist das Pay-TV prädestiniert für diese Aufgabe. Aber es gibt auch Gegenbeispiele: LOST z. B. geht auf das Konto von ABC - einem frei empfangbaren Network in den USA.

      Die RTL Group ist der größte Unterhaltungskonzern Europas. ProSiebenSat.1 hat im Jahr 2012 knappe 3 Milliarden Euro Umsatz gemacht und einen Gewinn von mehr als 400 Millionen erwirtschaftet. Selbstverständlich ist jede Eigenproduktion, insbesondere solche mit großem Budget, ein Risiko. Jedoch ist es eben diese mangelnde Risikobereitschaft, die für immer trivialere Fernsehunterhaltung sorgt.

  • https://twitter.com/TheSchmah Emanon

    Sehr schöner Artikel, der meiner Ansicht nach den Kern des Problems trifft: Das Publikum ist da, Kreativität, Geld -man bedenke nur mit wie viel Geld die Deutsche Filmförderung Hollywoodproduktionen unterstützt- und Professionalität ist vorhanden, nur scheinen die organisatorischen Strukturen und Entscheidungsträger von Film und Fernsehen, besonders bei den Privaten, mit TuttiFrutti, Dirk Bach und Tom Gerhardt sozialisiert worden zu sein und davon nicht abrücken zu wollen.

    Da verwundert es nicht, wenn es niveau-arme “Nester” voller Vetternwirtschaft um Bully Herbig oder den Rundfunkstandort Köln gibt, an denen nichts wächst außer schlechten Kinofilmen um das Thema Mauer und Vertreibung und geskriptetem Reality-TV, das nur mit Jersey Shore oder My Sweet 16 verglichen werden kann.

    Was die öffentlich-rechtlichen Sender angeht, die das Geld hätten, braucht man sich nur mal die verstaubten Rundfunkräte angucken, in denen Kirchenvertreter und 70-jährige CDU-Politiker Heimatverbundenheit auf den Plan setzen.
    Einschneidend war auch die Zeit nach der Wiedervereinigung. Die vorhandenen Strukturen im DFF und der DEFA, die wunderbare Filme und professionelles Fernsehen produziert haben, wurden ein Selbstbedienungsladen für die ARD und die Treuhand, in dem ausgeschlachtet wurde, was nicht komplett assimiliert wurde.

    Es wäre theoretisch kein Problem eine öffentlich-rechtliche Infrastruktur wie Netflix aufzubauen und dort gute in Deutschland produzierte Filme und Serien spielen zu lassen.

    Stattdessen streiten sich Private und Öffentlich-Rechtliche um die Dauer der Abrufbarkeit in den Mediatheken und produzieren kräftig billigen Schund, der wenig Risiko zu haben scheint.

    Das liegt wohl auch daran, dass der “Markt” des millionenfachen Streamings von US-Serien und Filmen in Deutschland schlicht nicht wahrgenommen wird. Die vorhandene Nachfrage, die die Menschen so fast nur illegal befriedigen können, spielt nur diffus als Raubmordpiraterie eine Rolle, die nun durch idiotischen Spin der GVU für Einkommenseinbußen verantwortlich betrachtet wird.
    Die Chancen des Internets werden nur schleichend und auf Druck wahrgenommen und stehen schwachsinniger Weise sicher nicht im Fokus.

    Ich hoffe, dass sich das irgendwann bessert. Ich kann mir allerdings nur vorstellen, dass jemand so etwas wie Netflix zu annehmbaren Preisen hier aufbaut, sich mit US-Serien eine goldene Nase verdient und dann anfängt eigene Serien zu produzieren, während die großen Rundfunkhäuser eins nach dem anderen schließen.

    • http://www.weltenschummler.com/ Marvin Mügge

      Hi Emanon,

      vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Es freut mich wirklich zu sehen, dass ich mit meinen Überlegungen nicht allein dastehe. Ich kann dir nur in jedem Punkt Recht geben!

  • http://www.secondunit-podcast.de/ Christian

    Schöne Gedanken, die ich zum Thema Film auch schon öfter gemacht habe.
    Dabei lande ich aber im Gegensatz zu dir doch immer wieder bei den Finanzen als Teilaspekt. Alles, was nicht aus Hollywood kommt, hat es einfach schwer in der Welt. Serien wie Breaking Bad und Dexter sind nur möglich, weil sie in Hollywood gemacht werden und weltweit (!) exportiert werden können.

    Die Amis haben selbst einfach keinen Bock auf ausländische Produktionen. Wie soll sich dann eine deutsche Produktion in den wichtigsten Film- und Fernsehmarkt verkauft werden?

    Es könnte aber klappen, wenn wir uns eine Nische suchen würden. Die Schweden sind ja für ihre Krimis berühmt und geliebt. Weltweit. Warum haben wir nicht auch so ein Spezialgebiet?

    Anyways, das waren jetzt eher lose Gedanken von mir. Was ich sagen wollte: Schöner Text :)

    • http://www.weltenschummler.com/ Marvin Mügge

      Hi Christian,

      du sprichst da tatsächlich einen sehr wichtigen Punkt an. Ich denke aber, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, wie man sich dem nähern könnte:

      1. Willst du international verkaufen, musst du international produzieren. Klar wollen die Amis keine deutschen Serien/Filme sehen - noch nicht mal wir wollen deutsche Produktionen sehen. Das ist ja das Problem. Frei nach dem Motto “Nicht kleckern, sondern klotzen” müsste man sich natürlich dementsprechend aufstellen, um in den US-Markt einzudringen. Mögliche Optionen wären z. B. ein, zwei bekannte Leute zu verpflichten (Schauspieler, Regisseure etc.), die Handlung eben nicht zwanghaft auf das deutsche Publikum zu münzen und von vornherein auf Englisch zu produzieren. Ob die Idee zu der Serie aus Deutschland, Italien, Russland oder Kanada kommt ist dabei imho ziemlich egal.

      2. Plan B: es wäre ja schon ein Erfolg, wenn Hollywood zumindest eine Idee aus Deutschland adaptieren würde - wie sie es ja auch z. B. mit den schwedischen “Stieg Larsson”-Verfilmungen getan haben. Ich bin nicht unbedingt ein Freund davon, aber es wäre immerhin ein Achtungserfolg. Ein von dir angesprochenes Spezalgebiet, das man sich vornehmen könnte, ist durchaus keine schlechte Idee und wäre wenigstens ein Anfang.

      Ich bevorzuge wie gesagt die erste Variante - denn genau da liegt der Hund begraben: Hollywood produziert für den weltweiten Markt, wir produzieren für den heimischen Markt. Wir ernten, was wir säen.

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