Tag 5: 10. Februar 2014
Es ist der fünfte Tag meines Martyriums. Ich spüre, wie sich eine Decke aus Frust über mir ausbreitet. Mich dürstet es nach seriösen Nachrichten. Wenn ich doch nur einen kurzen Blick auf die Süddeutsche oder die taz werfen könnte. Ich versuche, den Kopf frei zu bekommen und mich auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren. Doch ich ahne, dass es heute nicht leicht wird, als ich die Titelseiten von BILD, B. Z. und Berliner Kurier sehe…
“Bla, bla, bla!” giftet es mich von der B. Z. an. Was als polemischer Kommentar zu Klaus Wowereits Stellungnahme bezüglich der Steueraffäre seines Kulturstaatssekretärs gemeint war, steht gleichwohl sinnbildlich für die Trivialitäten, die mir als Leser der Boulevardpresse heute vermittelt werden sollen. Auch wenn mich die Schlagzeile “Schade Pechi! Im Eisschnelllauf leider nur Blechi” (Berliner Kurier) durchaus zum Schmunzeln bringt, muss ich mich bei der Themenauswahl ernsthaft fragen, ob zur Zeit eigentlich _irgendetwas_ von Belang in der Welt los ist.
Bei meinem Versuch, ein erstes Resümee der letzten Tage zu ziehen, fällt mir auf, dass internationale Politik so gut wie gar keine Rolle in der Welt des Boulevard spielt. Die Sichtweise ist durch und durch regional (um nicht zu sagen national) - und emotional. Die meisten Beiträge sind darauf ausgerichtet, Angst und/oder Wut zu erzeugen. “Todes-Schüsse auf Türsteher”, “Ja, auch wir haben betrogen!”, “Fisch wird teurer!” (kein Scherz…). Inwiefern tragen solche Nachrichten zur Rolle der Presse als sogenannte “Vierte Staatsgewalt” bei? Wie soll mir das helfen, mich als mündiger Bürger zu fühlen? Wie soll ich Zusammenhänge erkennen oder mir eine fundierte Meinung bilden?
Versteht mich nicht falsch: Trivialitäten haben durchaus ihre Berechtigung. Ich liebe Trivialitäten. Doch wenn ich meine Informationen ausschließlich aus solchen Quellen beziehe - und ein Großteil der Bevölkerung tut genau das - geht ein wichtiger Teil des öffentlichen Lebens komplett an mir vorbei. Die Folgen dieser permanten Desinformation können gar nicht ernst genug eingeschätzt werden.
Ich muss zugeben, dass das alles natürlich keine weltbewegenden, neuen Erkenntnisse sind. Nicht umsonst wird von entsprechender Stelle immer wieder auf die Boulevardpresse geschimpft. Und ja, die Welt ist nun mal hart und ungerecht. Aber Massenmedien wie die BILD (die meinem Empfinden nach überraschenderweise tatsächlich noch der harmloseste Teil dieses Triptychons der Volksverdummung ist) tragen eine nicht unerhebliche Verantwortung. Man muss sich das mal klarmachen: wir reden hier nicht von irgendwelchen zweitklassigen Klatschblättern, die sich das Schlagwort “Entertainment” auf die Fahne geschrieben haben, sondern von den auflagenstärksten Tageszeitungen Deutschlands (BILD) bzw. Berlins (B. Z. - Der Berliner Kurier hat im Ostteil der Stadt sehr viele Leser)! Auch in Zeiten des Internets ist das Format der Tageszeitung (für mich zumindest) immernoch der Inbegriff der informierenden Presse schlechthin.
Bleibt also nur noch die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Bedient die Boulevardpresse einfach das Bedürfnis der Leser nach Banalitäten oder erzeugt sie sie überhaupt erst? Ich weiß es nicht. Vielleicht habt ihr ja eine Antwort.