Stellt euch vor, ihr müsst über ein Thema schreiben, das euer sadistischer Kollege aussuchen darf, von dem ihr absolut keine Ahnung habt und das euch im besten Fall voll ankotzt – Minimum 5000 Zeichen. Man muss schon ein wenig kaputt im Kopf sein, um sich das anzutun. Passt also perfekt zu uns. Herzlich Willkommen zum Blind-Date-Bloggen!
Thema heute: Ein Beitrag der “inTouch” mit dem Titel “Jude Law, Clint Eastwood and More! 7 Handsome Celebrity Dads – And Their Sexy Sons!“
Zunächst: Danke, Daniel… Du hast dich zur Premiere unseres kleinen, perfiden Spielchens bei der Themenauswahl wirklich selbst übertroffen. Dir ist schon klar, dass du das nächste Mal dran bist? Im Moment überlege ich noch, ob dich zu Tode langweilen werde oder dir lieber die Schamesröte ins Gesicht treiben möchte. So oder so – es wird ein ähnliches Massaker der Trivialität, wie es mir in diesem Moment bevorsteht. Und nur, damit das klar ist: diese 496 Zeichen hier zählen natürlich schon mit.
Promi-Klatsch also. Von der übelsten Sorte. Berühmte Dads und ihre sexy Söhne. Na dann mal ran an die Buletten.
Immer auf die Kleinen? Näää
Wenn haben wir denn da? Da hätten wir also Jude Law. Ich mag Jude Law. Clint Eastwood. Sehr schön. Arnold Schwarzenegger. Hallo? Der Terminator. Nuff said. Und dann noch Tom Hanks, Pierce Brosnan, Don Johnson (!) sowie Dennis Quaid. Na super. Alles Helden meiner Kindheit und Jugend plus Jude Law und Pierce Brosnan. Der ist aber wahrscheinlich auch der einzige, über den ich ein wenig herziehen könnte. Die Option “Ich zieh einfach ein paar untalentierte, nichtsnützige Promis in den Dreck” ist also auch gestorben. Da hätten wir noch die Söhne, aber hey - das wär zu billig. Ich kenn keinen von denen, und will hier nicht anfangen, über das Äußere der kleinen Scheißer zu lästern.
Ich fühle mich hilflos. In die Ecke gedrängt. Was mach ich aus dieser inhaltslosen Boulevard-Perle? Ich könnte einfach ein paar Katzenbilder bringen und hoffen, dass die Leute nicht weiterscrollen. Klingt nach einem guten Plan, aber die Challenge hätte ich verloren. Also weiter im Text.
Warum lesen Menschen Regenbogenpresse?
Ich frag mich ja immer: Warum? Warum “lesen” Leute so etwas? Ich vermute mal, dass es da sogar schon wissenschaftliche Arbeiten drüber gibt. Gleich mal googeln…
*Jeopardy-Musik-bitte-hier-einsetzen*
…. Ok. Die Suchanfrage “Warum lesen Menschen Regenbogenpresse” hat tatsächlich eine Arbeit zu Tage gefördert, die den Titel trägt:
“Warum lesen Menschen Publikumszeitschriften? Eine qualitative Studie von Hannah Wilhelm-Fischer”
Bingo! Leider ist die Studie nur auszugsweise bei Google Books verfügbar, allerdings finde ich beim Querlesen schnell ein paar relevante Stellen. Die Autorin hat scheinbar sehr umfangreich zu dem Thema recherchiert und kommt unter anderem zu folgenden Schlüssen:
- Die sogenannten “Publikumszeitschriften”, wie der schöne Euphemismus von “Regenbogenpresse” lautet, sind mutmaßlich so etwas wie “Märchenbücher des modernen Menschen”. Ähnlich wie bei Seifenopern werden persönliche Wünsche und Phantasien in einer Art Ersatzhandlung befriedigt, nach dem Motto: “Wenn ich schon nicht reich bin, schau ich mir wenigstens mal an wie die so leben”.
- Es existiert eine unausgesprochene “Gruppenidentität” innerhalb der eigentlich anonymen Leserschaft, da meistens sehr spezielle Zielgruppen mit “einer gemeinsamen Lebenswelt” [sic!] angesprochen werden. Klingt irgendwie sexistisch, wenn man sich das mal durch den Kopf gehen lässt: Frauenzeitschriften machen den Löwenanteil der Regenbogenpresse aus, und ich weiß nicht wie es euch geht, aber “Lebenswelt” klingt für mich ganz stark nach “Desperate Housewives”-Stereotypen.
- Die emotionale Ansprache der Regenbogenpresse scheint einer der wichtigsten Faktoren zu sein. Bei vielen Menschen (insbesondere bei solchen, die sich für Beiträge wie “Jude Law, Clint Eastwood and More! 7 Handsome Celebrity Dads – And Their Sexy Sons!” interessieren) ist die Nachfrage an rationalen Informationsangeboten gesättigt - es muss also emotionaler Content her. Der psychologische Trick dabei ist folgender: das Harmoniebedürfnis des Publikums wird befriedigt, indem die dargestellten Emotionen in Einklang mit den Wertvorstellungen der Leserschaft stehen.
- Besonders interessant finde ich aber die Hypothese, dass Publikumszeitschriften zur Komplexitätsreduktion dienen. Durch die Konzentration auf Trivialitäten entsteht für den Leser der – subjektiv vollkommen zutreffende – Eindruck einer weniger komplexen Umwelt. Polemisch ausgedrückt könnte man es auch “Lebenshilfe durch Verdummung” nennen.
- Viele Leserinnen bauen sogar eine parasoziale, “freundschaftliche” Beziehung zu ihrer Lieblings-Klatschzeitschrift auf. Insbesondere Aspekte wie Orientierung und Lebenshilfe spielen in diesem Zusammenhang wohl eine Rolle.
Ein Weg aus der Print-Krise?
Wow, ist ja doch noch eine interessante Kiste geworden. Irgendwie hab ich mich sogar fast seriös daran abgearbeitet. Dachte ich. Dann aber treffe ich in der Studie noch auf folgendes Argument:
Das absolute - Achtung - “Totschlagargument” für den Erfolg von Frauenzeitschriften ist folgender: “Printprodukte [sind] durch ihr Papier auch ganz anderweitig nutzbar: Etwa zum Trocknen der Schuhe oder zum gezielten Töten von Fliegen.”
Kein Scherz. Das steht da so.
Knaller. Ich sehe da großes Potential für die schwächelnde Print-Branche. Nicht auszudenken, welche Summen darin schlummern, wenn man die Idee mal weiter spinnt. Ich sehe Schlagzeilen-Klopapier von der Bild. Zusammengerollte Focus-Hefte, die von Lobbyisten als Knüppel genutzt werden könnten, um ihre Forderungen durchzusetzen. Der Playboy aus formbarem Gummi, aus dem man ganz einfach eine — ihr versteht, worauf ich hinaus will.
Geschafft!
Und die Moral von der Geschicht’? Nun, zum einen habe ich sogar die geforderten 5000 Zeichen übertroffen und fühl mich jetzt wie ein richtig derber Regenbogenpresse-Versteher. Zum anderen darf ich jetzt dir, lieber Daniel, einen reinwürgen. Und das mach ich jetzt.
Dein Thema für die nächste Runde Blind-Date-Bloggen heißt:
“Der Kartoffelkäfer.”
*grinsend ab nach links*