Ich musste schon sehr lachen, als ich dieses Produkt im Supermarkt um die Ecke erblickte: Kelles NVA Feldsuppe! Musste ich ausprobieren. Ein kulinarischer Ausflug in die militaristische Ostalgie.
Immerhin stattliche 3,88 € musste ich für diese möglicherweise nicht ganz verfassungstreue Spezialität berappen. Hoffentlich hat sich’s gelohnt. Erstmal anschauen.
1. Anjekiekt
Also rein äußerlich ist die Dose schonmal überzeugend unkapitalistisch gestaltet. Der no-nonsense-claim lautet: “Suppe aus gelben Erbsen mit Schweinebauch, Gemüse und Bockwurst”. Schweinebauch UND Bockwurst? Geil. (Aber was sind gelbe Erbsen??)
Das Teil auf dem Label, das wie eine Jauche-Maschine aus der Landwirtschaft aussieht, ist übrigens eine S450 Feldküche, die seit den 60er Jahren in der CSSR für den Ostblock produziert wurde. Ihre propangasbetriebene Heizeinheit und das Fassungsvermögen der Edelstahltanks von satten 225 Litern machten die S450, besser bekannt als “Gulaschkanone”, zum Klassiker unter den sozialistischen Feldküchen. Heute kannste die für Firmenevents mieten, hier zum Beispiel.
Aus dem Onlineauftritt von Kelles (!) erfahren wir: “Während der Gefechtsübungen im Feld wurden die Soldaten traditionell mit einer in einer mobilen Feldküche, der sogenannten Gulaschkanone, zubereiteten Erbsensuppe mit verschiedenen Zutaten versorgt, der NVA-Feldsuppe, und man sagt ihr nach, dass sie nur in einem großen Kessel zubereitet ihren besonderen Geschmack entfaltet. Auch auf Großveranstaltungen wie Maidemonstrationen, Pfingsttreffen u. ä. war diese Suppe bei der Bevölkerung sehr beliebt und auch heute noch findet man an Landstraßen Rastplätze mit Gulaschkanonen oder Anbieter auf Volksfesten, die das traditionelle Gericht vertreiben. Kelles NVA-Feldsuppe ist nach traditionellem Rezept und von Hand ohne künstliche Zusätze zubereitet. Einen Teller NVA-Feldsuppe zu genießen ist wie eine Reise in die Vergangenheit!”
Jetzt weißte Bescheid. Das mit dem “ohne künstliche Zusätze” deckt sich übrigens mal so gar nicht mit der Zutatenliste (Kostprobe? “[…], Stabilisator: Diphosphate, Natriumcitrat, Emulgator: Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren, Säureregulator: Glucono-delta-Lacton […]”), aber hey – wer liest im Sozialismus schon das Kleingedruckte? Der Nährwert der kompleten Dose beträgt übrigens 1296 Kcal. Manche interessiert sowas ja.
2. Uffjemacht
Dankenswerterweise ist das Öffnen der Dose mit einem DIN-Dosenöffner made in Westdeutschland trotz des Systemkonflikts ohne weiteres möglich. Visueller Ersteindruck: Katzenfutter-Konsistenz, sehr fettig und brockig. Und gelblich. Die meinen das ernst mit den gelben Erbsen. Geruch: rauchig, ganz geil eigentlich.
3. Ausjekippt
Klappt nicht. Zu fest. Hilft auch kein Schütteln und Klopfen. Ein Löffel als Hilfsmittel ist unumgänglich.
4. Rinjelöffelt
Nu aber. Das satt schmatzende Geräusch, das die NVA Feldsuppe beim Verlassen der Dose macht, ist hochgradig befriedigend. Die dicke Konsistenz hingegen etwas beunruhigend.
5. Uffjewärmt
Der Zubereitungshinweis auf der Dose lautet: “Den Inhalt unter ständigem Rühren langsam erhitzen”. Hab ich so gemacht. Keine Probleme. Interessanterweise wird die NVA Feldsuppe beim Erhitzen flüssiger. Kenn ich Erasco-Kind sonst so nicht.
6. Und rinn damit!
Serviervorschlag
Angst vorm DDR-Mief hin, Antimilitarismus her – das Zeug rockt. Würzig, rauchig und deftig, und satt macht es auch wie Hölle. Unprätenziöser Geschmack, zwei Sorten Fleisch … hmmmm! Und ich musste nicht nachsalzen. Ich muss sonst immer nachsalzen. Eigentlich sollte man da auch gleich ein Pils zu trinken, aber es ist noch bisschen früh am Tag.
Verdikt: Es war nicht alles schlecht!
Einzige Nebenwirkung bisher: Ich hab so ne vage Lust, fliehenden Zivilisten in den Rücken zu schießen …
Schreiberling mit halbwegs kontrollierter Tastatur-Tourette. Concerned but powerless. Musiker, Teilzeithippie und Linksträger. Kann sich nicht an das Ende von “Fear and Loathing in Las Vegas” erinnern. Ehemaliger Copilot von Weltenschummler.
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