Wir sind Gonzo. Unser Manifest für einen neuen Journalismus.

Kann auch als Manifest herhalten: Hunter S. Thompson erschießt seine Schreibmaschine.

Kann auch als Manifest herhalten: Hunter S. Thompson erschießt seine Schreibmaschine. // Image Credit: Hunter S. Thompson by Gustavo Medde (CC BY-NC 2.0)

“Yesterday’s weirdness is tomorrow’s reason why.” 
- Hunter S. Thompson

Ach, die Medien

Wir leben in unübersichtlichen Zeiten. Vor allem, was die Medien angeht. Ach, die Medien. Die Medien jammern über Piraterie, Gratiskultur, AdBlocker und Profi-Trolle, Blogger, Katzen-GIFs, Google und Aufmerksamkeitsspannen. Die Medien, sie sind wohl bald tot. Machen aber trotzdem einfach immer so weiter. Denn das haben die eben schon immer so gemacht.

Dabei ist es eigentlich ziemlich offensichtlich: Die Zeiten, sie ändern sich. Und uns. Zumindest einige. Die Menschen wollen nicht mehr angesprochen werden, als ob ein Finanzbeamter ihre Steuererklärung im vierfüßigen Jambus vorträgt. Sie wollen nicht nur Information, sie wollen Emotion. Nicht Distanz, sondern Reibung. Wir müssen wahrhaftig erzählen, statt ängstlich zu berichten.

Was nützt es, über den sogenannten neuen Journalismus zu meckern. Der Erfolg ist ein lästiger Pedant, der immer Recht hat. Während sich die Print-Branche den Kopf zerbricht, wie sie ihre Online-Angebote monetarisieren kann, schreiben Horden von gesetzlosen Bloggern einfach darauf los und bauen ihre eigene Medienlandschaft. Eine Parallelwelt der journalistischen Anarchie. Da möchte man doch glatt “Skandal!” skandieren.

Wir finden, dass es an der Zeit ist, ein Statement abzugeben. Ein Statement, wie wir unseren neuen Journalismus bauen möchten. Da kann so ein Manifest, also eine öffentliche Erklärung von Zielen und Absichten, ein ganz hilfreiches Instrument sein. Außerdem wollten wir schon immer mal ein Manifest schreiben. Ist nun mal scheiße cool, so ein eigenes Manifest. Die logische Konsequenz aus diesem Gedankengang liegt nun direkt vor euch:

Das Gonzo-Manifest

1. Wir sind Gonzo

Wir sehen uns in der Tradition des großen Hunter S. Thompson. Ein klarer Standpunkt ist wichtiger als geheuchelte Objektivität. Kompromisslose Subjektivität ist der Schlüssel zu einem zeitgemäßen Journalismus, der spannend erzählt – und nicht zu Tode langweilt.

2. Wir sind Journalisten

Gonzo-Journalisten, um genau zu sein. Und auch wenn die meisten unserer “seriösen” Kollegen uns hysterisch kreischend den Status eines Journalisten absprechen würden, nehmen wir genau das für uns in Anspruch. Es gibt kein exklusives Recht auf journalistische Arbeit, es gibt nur das Grundrecht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Und genau das tun wir hier.

3. Wir sind Blogger

Unser Medium ist das Netz. Wir sind unabhängig. Wir sind schnell. Wir sind subversiv. Keiner schreibt uns vor, wie oder was wir schreiben sollen. Wir machen unser eigenes Ding. Wir sind nur eine Stimme. Aber wir sind viele.

4. Wir sind Künstler

Wir sehen Schreiben nicht als bloßes Handwerk, sondern als eine Möglichkeit, unsere Gedanken ästhetisch zu formulieren – und den Leser dabei zu unterhalten. Gonzo-Journalismus ist emotional, nicht neutral. Wir geben nicht nur unser Herz, wir wollen dafür eures.

5. Wir erzählen Geschichten. Keine Märchen.

Fiktion ist ein wichtiger Bestandteil des Gonzo-Journalismus. Das heißt aber nicht, dass wir euch Märchen auftischen. Die Kunst beim Gonzo-Journalismus ist es, die Fiktion so in die journalistische Arbeit einzubinden, dass sie nicht zum Betrug wird, sondern als verstärkendes oder satirisches Stilmittel dient.

6. Wir mögen keine Regeln

Wir postulieren dieses Manifest im vollen Bewusstsein dessen, dass wir die ersten sein werden, die diese Regeln brechen. Wer soll es auch sonst tun. Ist ja unser Manifest.

7. Wir sind unvollkommen

Wir können nicht zu jedem Thema etwas sagen. Wir können nicht alles erklären. Und wollen das auch nicht. Wir sind kein Wissens- oder Nachrichtenmagazin, wir sind bloggende Gonzo-Journalisten. Wir setzen darauf, dass ihr euch selbst informiert. Wir denken nämlich, dass ihr ziemlich smart seid.

8. Wir machen Ärger

Wir stellen infrage. Wir reden in Rage. Wir übertreiben gerne. Und manchmal schießen wir vielleicht über das Ziel hinaus. Aber das ist ok. Wir kommen damit klar.

9. Wir verbreiten Liebe

Wir sind begeisterungsfähig. Wenn wir etwas großartig finden, wollen wir, dass ihr es auch großartig findet. Wir glauben nämlich, dass das Leben viel angenehmer ist, wenn man sich mit Dingen beschäftigt, die man mag.

10. Wir sind paradox

Das habt ihr wahrscheinlich schon gemerkt. Oder auch nicht. In diesem Fall kauft ihr euch wohl besser die Bild, die kauen euch eure Meinung gerne vor.

11. Wir machen uns angreifbar

Wir eiern nicht rum. Wir stehen knietief im Pathos. Entweder wir ertrinken darin, oder wir stillen euren Durst damit.

12. Wir ticken nicht ganz sauber

Das wurde uns jedenfalls schon oft gesagt. Wir dachten, ihr solltet das wissen.

13. Wir scheißen auf dieses Manifest

Wir drucken jeden Tag ein Exemplar dieses gonzojournalistischen Manifests aus und verbrennen es feierlich. Pünktlich um 6:66 a.m., gleich nachdem wir den Leibhaftigen angebetet und eine grimmig dreinschauende Internet-Katze geopfert haben. Und mit der Asche malen wir dann unsere Gesichter an und erschrecken Print-Journalisten.

So long, suckers!

hunter-s-thompson-bill-murray

Marvin Mügge

Marvin Mügge

Weltraumpräsident at Weltenschummler
Gonzo-Journalist. Hat als Einziger das Ende von Lost verstanden und eine hohe Trash-Toleranzgrenze. Serienaddict, Kinogänger, Medienkritiker, GIF-Sammler und gescheiterter Physiker. Gründer von Weltenschummler.
Marvin Mügge
- 1 Woche ago
Marvin Mügge