Yep, für mich sind Physiker immer noch die Könige der Nerds: ein internationales Team von Wissenschaftlern an der UC Berkeley bereitet zur Zeit ein Experiment vor, bei dem sie einen sogenannten “Time Crystal” erschaffen wollen. Dieser bisher nur theoretische Zeitkristall ist ein echtes Perpetuum Mobile und nutzt einen Bruch im Zeitkontinuum, um sich zu bewegen.
In der klassischen Mechanik ist ein Perpetuum Mobile unmöglich, da es dem Prinzip der Energieerhaltung widerspricht: ein sich bewegendes Objekt verrichtet Arbeit bzw. stellt Nutzenergie bereit und braucht daher von außen zugeführte Energie, um sich weiterzubewegen. Ein Perpetuum Mobile wäre also zum Beispiel ein Motor, der - einmal angeworfen - immer weiterläuft, ohne dass man jemals tanken müsste. Tolle Vorstellung, aber unmöglich. Bisher. Denn der Time Crystal tut genau das: er bewegt sich, einmal angeregt, immer weiter, ohne auf Energiezufuhr von außen angewiesen zu sein. Und er nutzt dafür ein Konzept, das selbst unter Physikern ziemlich verrückt klingt…
Dieses Konzept stammt dabei nicht von irgendwem, sondern von Nobelpreisträger Frank Wilczek. Die Geschichte zur Idee liest sich ein wenig wie die Anekdote von Newton und dem Apfel: Wilczek dachte bei einer Vorlesungsvorbereitung über das Verhalten von Kristallen nach und fragte sich, warum die räumlichen Eigenschaften von Kristallen nicht ebenfalls auf die Zeit übertragbar sein sollten. Kristalline Strukturen haben diskrete Abstände, das heißt, ihre Atome können nur ganz bestimmte Punkte in einem dreidimensionalen Gitter besetzen - der Raum zwischen diesen festgelegten Punkten ist “tabu”. Wilczek entwickelte nun die Hypothese, dass man dieses Verhalten auch auf die Zeit übertragen kann. Das würde allerdings bedeuten, dass ein solches Objekt sich nicht wie alles, was uns bisher bekannt ist, kontinuierlich in der Zeit bewegt, sondern von Zeitpunkt zu Zeitpunkt “hüpft”, wie ein Minutenzeiger, der um das Ziffernblatt wandert, aber immer nur an den Ziffern eins bis zwölf erscheint und niemals dazwischen.
Sollte ein solcher Zeitkristall tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden können, würde das äußerst weitreichende Folgen für unser Verständnis von der Welt haben. Unter anderem würde es die Schlussfolgerung nahe legen, dass die Quantentheorie erheblich nachgebessert werden muss - zu Gunsten Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, die eben diese Verbindung von Raum und Zeit deutlich besser darstellt (allerdings nur auf kosmischer Ebene). Es wäre ein bedeutender Schritt hin zur Grand Unified Theory (GUT), der “Weltformel”, die alles zu beschreiben vermag, was es im Universum gibt. Im Moment konkurrieren die Quanten- und die Relativitätstheorie: beide haben ihre Gültigkeitsbereiche, können aber nicht zusammengefasst werden. Für die Physik trennt sich die Welt in zwei Bereiche, die unterschiedliche physikalische Eigenschaften aufweisen - was wissenschaftlich gesehen natürlich höchst unbefriedigend ist.
Um den Time Crystal zu bauen, entwickeln Wissenschaftler an der UC Berkeley eine sogenannte Ionenfalle:
The Berkeley-led team will attempt to build a time crystal by injecting 100 calcium ions into a small chamber surrounded by electrodes. The electric field generated by the electrodes will corral the ions in a “trap” 100 microns wide, or roughly the width of a human hair. The scientists must precisely calibrate the electrodes to smooth out the field. Because like charges repel, the ions will space themselves evenly around the outer edge of the trap, forming a crystalline ring.
Die Wissenschaftler um Hartmut Häffner, der einer der Leiter des Experiments ist, bringen die Ionen also in eine räumlich-kristalline Struktur. Ziel ist es nun, nachzuweisen, dass die Ionen in diesem Ring mittels eines Magnetfelds angeregt werden können, um ihr Zentrum zu rotieren, und zwar zu zeitlich festgelegten Intervallen. Sie würden sich also nicht wirklich im klassischen Sinne “bewegen”, sondern nur jeweils an einem anderen Ort “erscheinen”. Um die Rotation des Ionenrings zu sehen, wird ein Ion per Laser markiert.
To see the ring’s rotation, the scientists will zap one of the ions with a laser, effectively tagging it by putting it into a different electronic state than the other 99 ions. It will stay bright (and reveal its new location) when the others are darkened by a second laser.
If the bright ion is circling the ring at a steady rate, then the scientists will have demonstrated, for the first time, that the translational symmetry of time can be broken. “It will really challenge our understanding,” Li said. “But first we need to prove that it does indeed exist.”
Dieser Zeitkristall würde sich, einmal angeregt, unendlich lange weiterbewegen, ohne jemals Energie zu verlieren. Ein echtes Perpetuum Mobile. Das würde in der Tat einige Frage aufwerfen. Wir dürfen also gespannt sein. Wer noch tiefer in die Materie eintauchen möchte, liest unten weiter.
Gimmemore Perpetual Motion Time Crystal on Simons Foundation
[via io9]